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Fünf Jahre nach der Katastrophe: Japan hält an Atomkraft fest
Die Atomkatastrophe in Fukushima liegt beinahe bereits fünf Jahre zurück. Dennoch ist eine Abkehr von der Atomkraft in Japan von politischer Seite her nicht geplant und anscheinend auch wirtschaftlich nicht realisierbar .

Fukushima - Als am 11. März 2011 ein gewaltiger Tsunami mit fürchterlicher Gewalt den Nordosten Japans heimsuchte, wurden schlagartig wichtige Produktionsstätten zerstört und Lieferketten zerrissen. Auch Weltkonzerne wie der Autobauer Toyota erlitten enorme Ausfälle und kämpften mit den daraus folgenden Absatzproblemen.
Ganze Fabriken mussten ihren Betrieb unterbrechen. Dann gleich der nächste Schock: Der Super-GAU im Atomkraftwerk Fukushima. Plötzlich war Japans industrie- und wirtschaftspolitisches Modell grundsätzlich in Frage gestellt. Und heute, fünf Jahre nach dem Desaster?
Firmen haben ihre Standorte verlassen
"Viele Unternehmen, vor allem die großen, haben die Unglücksregion im Nordosten weitgehend aufgegeben", berichtet Martin Schulz, Ökonom am Fujitsu Research Institute in Tokio. In einem beeindruckenden Kraftakt hätten sie damals die Probleme zügig in den Griff bekommen - schneller sogar als erhofft. Von Tag eins an seien sie darum bemüht gewesen, die Lieferketten wieder zu reparieren.
Andere Regionen profitierten von der Katastrophe
Doch die Wirtschaft lernte aus den Erfahrungen. Zuliefer-Strukturen wurden breiter aufgestellt - vor allem ins Ausland. Zugleich profitierten andere Regionen indirekt von der Katastrophe. So hat sich der für die japanische Wirtschaft wichtige Sektor der Automobil-Elektronik auf die südliche Hauptinsel Kyushu verlagert, also quasi an die Pforte zum Rest Asiens. Das Geschäft brummt.
Energiewende ohne Plan?
Geboomt hat auch die Solarenergie. Infolge von Fukushima wurde stark in diesen Bereich investiert, innerhalb weniger Jahre kam Japan an die Kapazitäten Deutschlands heran. Doch im Unterschied zur Bundesrepublik hatte man keine klare Strategie, um alles durchgängig neu aufzubauen und zugleich alte Strom-Monopole aufzubrechen. Einer dieser Monopolisten ist Tepco, der Betreiber der Atomruine Fukushima.
Ab April können Japaner ihren Stromanbieter aussuchen
Die Konzerne klagten, dass ihnen der Markt kaputt gemacht werde und ihre Netze im übrigen darauf gar nicht vorbereitet seien. Ab April dieses Jahres wird nun zumindest der Vertrieb liberalisiert, künftig kann man in Japan seinen Anbieter wählen.
Die regionale Struktur wird aufgehoben. Das steigert zwar Effizienz und Flexibilität, ist aber nicht der große Wettbewerb zur Auflösung der Monopole. Eine Deregulierung des Netzes bleibt vorerst aus.
Atomkraft wird weiter betrieben
Wer erwartet hatte, dass es nach Fukushima zu einer echten Energiewende auch in Japan kommt, sah sich enttäuscht. Die erneuerbaren Energien werden ausgebaut. Die bisher wenig genutzte Windkraft dürfte weiter zulegen, Biomasse boomt geradezu.
Insgesamt aber geht es nur langsam voran. Abgesehen davon, dass es in Japan keinen politischen Willen gibt, ganz aus der Atomkraft auszusteigen, kann es sich das Land nach Ansicht von Experten gar nicht leisten - ironischerweise gerade wegen Fukushima. Denn die Bewältigung der Katastrophe in der Atomruine kostet sehr viel Geld.
Die großen Stromversorger waren hier schon vor der Katastrophe in Fukushima hoch verschuldet. Umso mehr halten sie nun an ihren oft alten Reaktoren fest, auch wenn diese derzeit bis auf vier Anlagen sämtlich abgeschaltet sind. Solange sie wenigstens im Prinzip laufen können, dienen sie als Vermögen, auf dessen Basis die Konzerne sich weiter mit Krediten über Wasser halten können.
Alte Reaktoren können aufgrund der Sicherheitsbestimmungen nicht wieder hochgefahren werden
Und so hält Japan vorerst weiter am Nuklearstrom fest, obwohl Experten das von der Regierung für 2030 ausgegebene Ziel von 20 bis 22 Prozent Anteil der Atomenergie an der Stromversorgung für völlig unrealistisch halten. Dafür müsste Japan eine Reihe neuer Reaktoren bauen, denn viele der alten werden die verschärften Sicherheitsauflagen nicht erfüllen können. Doch ein Neubau von Reaktoren ist politisch auch in Japan kaum mehr vorstellbar.
Die drittgrößte Volkswirtschaft der Welt stützt sich im Jahr fünf nach Fukushima also weiter auf ihren bewährten Energiemix. Atomstrom wird vorerst nicht aufgegeben, die Erneuerbaren werden ausgebaut, aber fossile Brennstoffe weiter verwendet. Anders als Deutschland geht Japan viel langsamer voran und versucht, alle Seiten irgendwie über Wasser zu halten. Aber ist das wirklich zukunftsorientiert?
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Ein Atomkraftwerk ist der Ort, in dem Kernenergie aufgrund induzierter Kernspaltung dazu genutzt wird, elektrischen Strom zu erzeugen. Dies kann auf unterschiedlichen Wegen passieren, da es einige unterschiedliche Typen von Atomkraftwerken gibt.
Biomasse ist ein organischer Rohstoff, der durch Pflanzen oder von Tieren erzeugt wird.
Erneuerbare Energien stammen aus nachhaltigen Quellen, die sich durch den natürlichen Kreislauf von selbst erneuern. Sie werden auch als regenerative oder als alternative Energien bezeichnet.
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Durch Kernspaltung oder Kernfusion wird Energie gewonnen. Die Nutzung der Kernenergie bringt jedoch Gefahren mit sich und ist nicht erst seit Fukushima sehr umstritten.
Solarenergie: Strom aus der Kraft der Sonne
Solarenergie wird durch die Sonnenstrahlung auf die Erde übertragen, wo man sie sammelt und für die Erzeugung von Strom und Wärme nutzt. Der Vorteil der Solarenergie liegt darin, dass sie als erneuerbare Energie quasi unerschöpflich ist.
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Diskussionen über die Windenergie, deren Nutzen und Potenzial, werden bisweilen hitzig geführt; kaum eine andere erneuerbare Energiequelle bewegt so die Gemüter.